Gesundheitsgefährdung für Schweineproduzenten und deren Personal durch versehentliche Nadelstichverletzungen und Selbstinjektionen

Kelley J. Donham
09-Okt-2017 (vor 7 Jahre 6 Monate 11 Tage)

Mehr als 5000 pharmazeutische Produkte sind für die Verwendung in der Nutztierproduktion bzw. für tierärztliche Behandlungen zugelassen. Dazu zählen Antibiotika, Impfstoffe, Hormone, Biozide und ein breites Spektrum an therapeutischen Wirkstoffen, Sedativa und Anästhetika. Diese dienen im Großen und Ganzen dazu, Nutztiere gesund und leistungsfähig zu erhalten und dadurch eine rentable Produktion zu gewährleisten. Die versehentliche, unbeabsichtige Exposition der in der Nutztierproduktion tätigen Personen gegenüber diesen Substanzen kann zu Erkrankung, invalidisierenden Verletzungen und Fehlgeburten führen. Dabei stellen die unterschiedlichen Produkte, die per Injektion oder Spray bzw. durch Einmischen in das Futter oder Tränkewasser verabreicht werden, unterschiedliche Gefahren für die Gesundheit dar. Die bei weitem häufigste und offensichtlichste Gesundheitsgefährdung resultiert aus versehentlichen Nadelstichverletzungen. Dieser Artikel beschreibt die damit verbundenen Risiken und mögliche Maßnahmen zur deren Vermeidung.

Als Schweinepraktiker habe ich mich im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit oft während der Behandlung der Tiere mit einer Kanüle gestochen. Ich hatte Glück, dass diese Verletzungen niemals ernste Folgen hatten. Viele Schweineproduzenten und Tierärzte hatten allerdings weniger Glück: Krankhausaufenthalte, Amputation oder ernste Erkrankungen waren bei ihnen oft die Folgen einer Nadelstichverletzung.

Nadelstiche

Nadelstichverletzungen stellen eine der häufigsten Berufsverletzungen in der Schweineproduktion dar, insbesondere im Rahmen von Tätigkeiten beim Abferkeln und in der Aufzucht. Wir haben im Jahr 2011 eine Literaturanalyse und eine Erhebung zu versehentlichen Nadelstichverletzungen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten, durchgeführt. Dabei haben wir festgestellt, dass sich jährlich 80 % der Nutztierproduzenten und deren Mitarbeiter versehentlich mit einer Injektionsnadel bzw. der Kanüle von Impfpistolen stechen. Solche Nadelstichverletzungen sind aus folgenden Gründen gefährlich:

1. Die Nadel ist mit ziemlicher Sicherheit kontaminiert, weil die Impfpistole aufgrund der Mehrfachnutzung mit Keimen aus der Umwelt oder vom zuvor geimpften Tier bzw. durch die Keime auf der Haut der Person, die sich versehentlich gestochen hat, kontaminiert ist.

2. Die Nadel selbst kann eine Gewebeschädigung verursachen, da sie nicht nur groß ist, sondern weil deren Spitze nach mehrmaliger Verwendung stumpf, beschädigt oder hakenförmig verbogen sein kann (Abbildung 1). Injektionen mit besonders häufig verwendeter Kanüle stellen daher ein deutlich erhöhtes Risiko für Verletzungen und Infektionen dar.

<p><strong>Abbildung&nbsp;1: </strong>Anhand der Hypodermienadel zeigt sich, wie schnell&nbsp; sich Kan&uuml;len abn&uuml;tzen und&nbsp;stumpf oder an der Spitze besch&auml;digt oder verbogen werden.</p>

3. Der Inhalt der Spritze kann bei versehentlicher Inokulation Schaden anrichten. Impfstoffe sind die häufigste Ursache von Reaktionen. Lebendimpfstoffe (wie manche Vakzinen gegen Rotlauf) können beim Menschen eine Erkrankung verursachen, oder der Impfstoff enthält ein Adjuvans, das hochgradige Reaktionen auslösen kann, insbesondere, wenn es sich um ein mineralölhaltiges Adjuvans handelt.

Bei schwangeren Frauen wurde nach der versehentlichen Inokulation mit Oxytocin oder Prostaglandinen von Fehlgeburten berichtet. (Meiner Meinung nach sollten Schwangere keines dieser Arzneimittel handhaben.) Die versehentliche Selbstinjektion mit dem Antibiotikum Tilmicosin kann für den Menschen zum Herztod führen. (Hinweis: Dieses Arzneimittel wird nicht bei Schweinen, sondern nur bei Wiederkäuern eingesetzt.)

Wir haben die Krankengeschichten von neun Landwirten untersucht, die sich versehentlich mit einer Kanüle verletzt hatten und aufgrund dessen hospitalisiert werden mussten. Bei allen handelte es sich um eine Selbstinjektion mit einem Impfstoff. Die häufigste Einstichstelle war die nicht dominante Hand. Injektionen in die Hand erfordern dringende ärztliche Versorgung, da die Blut- und Nervenversorgung durch die Schwellung und Infektion abgeschnitten werden kann und zu einem Verlust des Hautgewebes oder sogar eines oder mehrerer Finger führen kann (Abbildung 2).

<p><strong>Abbildung&nbsp;2:</strong>&nbsp;Dieser Schweineproduzent hatte sich versehentlich mit einer Kan&uuml;le gestochen und etwas Impfstoff mit &ouml;lhaltigem Adjuvans in den Finger injiziert.. Er hatte nicht sofort einen Arzt aufgesucht. In der Folge musste der Finger amputiert werden, da&nbsp;die Blut- und Nervenversorgung durch die Entz&uuml;ndung abgesperrt wurden. <strong>Abbildung&nbsp;3:</strong>&nbsp;Versehentliche Selbstinjektion mit einem Impfstoff.&nbsp;Das Bein musste operiert werden, um das gesch&auml;digte Gewebe zu entfernen und Impfstoff wie Adjuvans auszusp&uuml;len.</p>

Sechs der Betroffenen mussten für mehrere Tage ins Krankenhaus. Bei vier Personen wurde eine chirurgische Wundtoilette und -drainage durchgeführt (Abbildung 3). Bei einer Person kam es zur Knocheninfektion, bei einer anderen war ein handchirurgischer Eingriff erforderlich, um noch einen Teil des Fingers zu retten. In mindestens zwei Fällen handelte es sich bei der inokulierten Substanz um einen kombinierten Circovirus-Mycoplasma-Impfstoff. Da diese Produkte Totimpfstoffe sind, resultierte die Verletzung aus dem durch die Kanüle erzeugten Gewebetrauma in Kombination mit der durch das mineralölhaltige Adjuvans verursachten Entzündung.

Prävention von versehentlichen Selbstinjektionen

Schweineproduzent, Landwirt, Betriebspersonal und Tierarzt haben alle ihre Aufgabe, wenn es um die Prävention versehentlicher Selbstinjektionen geht. Der Landwirt bzw. der Betriebsleiter und jeder Mitarbeiter sind letztendlich für die Sicherheit von sich selbst, dem Personal und ihrer Familie verantwortlich. Angestellte haben sich an die vom Arbeitgeber erstellten Protokolle und Sicherheitsmaßnahmen zu halten. Tierärzte sind dafür verantwortlich, Landwirte/Betriebsleiter über mögliche Gefahren im Umgang mit den verschriebenen oder abgegebenen Arzneimitteln aufzuklären und sie generell hinsichtlich des Risikomanagements zum Schutz gegen beobachtete Gesundheitsgefährdungen zu schulen. <p><strong>Abbildung&nbsp;4:</strong>&nbsp;W&auml;hlen Sie Kan&uuml;len, die nicht l&auml;nger als n&ouml;tig sind.&nbsp;Da die meisten Produkte heutzutage f&uuml;r die subkutane Injektion gedacht sind, eignen sich&nbsp;&frac14;&rdquo;-Nadeln f&uuml;r junge Schweine und&nbsp;&frac12;&rdquo;-Nadeln f&uuml;r gr&ouml;&szlig;ere Schweine. Die Kan&uuml;len sollten d&uuml;nn sein, um versehentlichen Verletzungen der die Injektion vornehmenden Person sowie einer Sch&auml;digung des&nbsp;Gewebes des Tieres vorzubeugen. <strong>Abbildung&nbsp;5:</strong>&nbsp;Mehrere Hersteller bieten stichsichere Schutzhandschuhe an, die ausreichend beweglich sind, aber dennoch sch&uuml;tzen.&nbsp; Es reicht, einen solchen Handschuh an der nicht dominanten Hand zu tragen. <strong>Abbildung&nbsp;6:</strong>&nbsp;Hohe Stiefel, wie so oft von J&auml;gern getragen werden, k&ouml;nnen bei der Fixierung eines Schweins zwischen den Beinen vor Nadelstichverletzungen sch&uuml;tzen.&nbsp;<strong>Abbildung&nbsp;7:</strong>&nbsp;Die nadellose Injektion wird in der Schweineproduktion zunehmend beliebter, da sie das Gewebe der Tiere weniger sch&auml;digt und ein geringeres Risiko f&uuml;r das Personal des Schweinebetriebs darstellt.</p>

Grundprinzipien zur Vermeidung von Nadelstichverletzungen bzw. Selbstinjektionen:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nadelstichverletzungen häufig vorkommen. Sie können nicht nur beträchtliche invalidisierende Folgen haben, sondern auch den Verlust von Mitarbeitern sowie finanzielle Verluste nach sich ziehen. Eine Prävention ist aber möglich. Diese erfordert allerdings ein klares und spezifisch auf Ihren Betrieb abgestimmtes Protokoll, das die oben genannten Grundprinzipien berücksichtigt, sowie eine kontinuierliche Aufklärungsarbeit und Schulung aller in der Schweineproduktion tätigen Personen.